Donnerstag, 6. August 2009

Zukunft schon in der Gegenwart



2. Korinther 4, 17 + 18

Vielleicht ist Norbert Baumert an den Stellen seines Buches für die Leser am überraschendsten, wo er biblische Verheißungen auf die himmlische Zukunft Gottes bereits in der irdischen Gegenwart erfüllt sieht. Die Überraschung weicht sicherlich bei vielen Lesern einer gewissen Skepsis, weil es zu fremd erscheint, daß eine traditionelle eschatologische Auslegung, also die Deutung auf ein zukünftiges Heil Gottes hin, plötzlich auf die Gegenwart bezogen wird.

Am prägnantesten tritt diese Auslegung im Buch zum ersten Korinthbrief in Erscheinung, und zwar in der Auslegung zum Abendmahl. Hier deutet Baumert die in den Kirchen an vielen Sonntagen gelesenen Worte von der Verkündigung des Todes Christi bis daß er kommt (1. Korinther 11,26) nicht auf sein Kommen am Ende der Zeiten, sondern auf das reale Erscheinen des gekreuzigten und auferstandenen Herrn bereits im Verlauf des Gottesdienstes.

Natürlich ist Baumert hier der ganz von der charismatischen Bewegung und ihren spirituellen Erfahrungen geprägte Gläubige. Ein kritischer Leser, der mit den Auswirkungen einer solchen, eher mystischen Geisterfahrung nicht vertraut ist, wird Baumert hier nicht immer folgen. Und trotzdem - seine Deutung des Textes ist gerade an dieser Stelle in sich logisch und fügt sich beim weiteren Lesen nach und nach in einen größeren Zusammenhang ein, der sich erschließt, wenn man Baumert mit ein wenig Vertrauen über die weiteren Kapitel folgt.

Auch in der Fortsetzung seiner Verteidigungsrede, der Apologie, spricht der Apostel nach Ansicht von Baumert von diesseitigen Erfahrungen der Herrlichkeit Gottes, die nach traditionellem Verständnis meist auf das jenseitige Ende der Zeiten hin, also auf die zukünftige Herrlichkeit gedeutet werden. Nach diesem, also dem traditionellen Verständnis von 2. Korinther 4,17 werden die (kurzen) Leiden der Gegenwart aufgewogen durch die (ewigen) Freuden des Himmels.

Dagegen versteht Baumert die Apologie des Paulus so, daß in seinem Leiden und Bedrängnissen gleichzeitig die Herrlichkeit Gottes aufleuchtet. Ihr Licht erscheint zwar sozusagen nur im Inneren des Leidenden, sie ist aber vollkommene und tröstliche Realität, und sie ist auch für diejenigen im Umkreis des Paulus zu sehen, denen der Geist Gottes einen Blick für das Göttliche gegeben hat.

Folgt man Baumert in diesem Punkt, dann ergibt sich das große Bild des Menschen Paulus, der inmitten seiner Leiden und Demütigungen einen Lichtschein der Herrlichkeit Gottes aufleuchten läßt, gerade so wie der leidende Gottesknecht aus Jesaja, über den es in Jesaja 53,10 heißt

Was JHWH gefällt, wird durch seine Hand gelingen.

Dieses Gelingen des Paulus bestreiten einige der Korinther und sehen statt dessen sein Scheitern. Aber er weist ihnen in der Apologie nach, daß sie nur einen Teil der Wirklichkeit sehen.




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