Donnerstag, 13. August 2009

Wem gehört die Welt?




Ein Exkurs in den Koran

Im Glauben der Moslems enthält der Koran die heiligen Bücher der Juden und Christen ebenfalls in sich, das Alte und das Neue Testament. An einer Stelle im Koran wird die Verbindung sogar zu einem wörtlichen Zitat, indem hier - als einzigem Vers im Koran - auf ein Wort aus dem Alten Testament Bezug genommen wird. Es wird auch gesagt, in welchem Bibelbuch es steht:

Und wahrlich, wir schrieben in den Psalmen nach der Offenbarung der Ermahnung: „Erben sollen die Erde meine gerechten Diener“. (21. Sure "Die Propheten", Vers 105 )

Dieses Wort ist aus Psalm 37,29 übernommen und bildet nicht nur eine Brücke zum Koran, sondern auch zum Neuen Testament. Dort wird Psalm 37 nämlich ebenfalls zitiert, an prominenter Stelle sogar, und fast dasselbe Wort. Es ist die dritte der berühmten acht Seligpreisungen:

Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben. (Matthäus 5, 5)

Ein Unterschied ist vorhanden, verliert aber an Gewicht, wenn man bedenkt, daß im ursprünglichen Psalm 37 insgesamt fünfmal davon die Rede ist, wer das Land erben wird:

Die Bösen werden ausgerottet; die aber auf JHWH harren, werden das Land erben. (Vers 9)

Die Sanftmütigen werden das Land erben und ihre Lust haben an Fülle von Heil. (Vers 11)

Die von ihm Gesegneten werden das Land erben; und die er verflucht, werden ausgerottet. (Vers 22)

Die Gerechten werden das Land ererben und für immer darin wohnen. (Vers 29)

Harre auf JHWH und halte dich auf seinem Weg, so wird er dich erhöhen, daß du das Land erbest. (Vers 34)

Das Neue Testament und der Koran beziehen sich also auf denselben Psalm, dort aber auf Vers 29 (Koran) oder auf Vers 11 (Neues Testament). Die Aussage der beiden Sätze ist nur in Bezug auf das Erben identisch, nicht auf den Personenkreis, der erbt.

Nach meiner bisherigen Erfahrung mit dem Lesen des Korans geschieht in dem leicht verändernden Übergang vom Neuen Testament zum Koran etwas, was den Glauben der Moslems an eine einheitliche Überlieferung ein wenig einschränkt. Es ist gerade so, als ob der Koran die Pointe der neutestamentlichen Aussage zu Gunsten einer allgemeineren Lehre wieder teilweise zurücknehmen will. Diese Lehre ist im Neuen Testament dialektisch und paßt allein deshalb schon nicht in das Gedankengebäude des Korans.

Sie läßt sich in etwa so formulieren: es hat in der Geschichte des Glaubens an den Einen Gott einen Umbruch gegeben, in dem die alte Vorstellung von einem durch die richtige Gottesverehrung herbeigeführten materiellen Wohlstand aufgegeben wurde. Die Juden haben in den Jahrhunderten zwischen dem babylonischen Exil (587 – nach 538 v. Chr.) und der Geburt Jesu eine lange Phase der Fremdherrschaft durchlitten, in der sie alle alten Gedanken an eine über die Grenzen des eigenen Volkes hinausgehende Herrschaft ihres Gottes aufgeben mußten. In dieser Zeit ist die Vorstellung gewachsen, daß Gott im Gegenteil aus der Armut heraus am besten zu verehren ist, ja daß er auf geheimnisvolle Weise allen den Menschen besonders nahe ist, welche diese Armut als einen Ort annehmen, an dem Gott sich und sein Heil den Menschen zeigt.

Als Jesus zur Welt kam, war diese Kultur der Armut und damit gleichbedeutend die Kultur der Sanftmütigkeit in weiten Teilen des jüdischen Volkes verbreitet (der Papst schreibt in seinem Jesus-Buch sehr anrührend darüber). Die Menschen, die Jesus als Gottesgesandten erkannten und ihm den Weg bereiteten, waren solche armen und sanftmütigen Leute, und ihnen wandte er sich in seiner Predigt zu. Er versprach ihnen in der erwähnten dritten Seligpreisung nicht weniger als den Besitz der gesamten Erde.

Damals wie heute ist der Vorwurf naheliegend, daß er damit zu viel versprochen hat, weshalb es auch aus der Sicht des Korans sicherlich vernünftig war, die Zusage des Landbesitzes allgemeiner zu formulieren und erneut - so wie es früher einmal war - an die Gerechtigkeit des Einzelnen zu binden.

Verloren gegangen ist dabei allerdings ein Geheimnis. Es besteht in der Verwandlung von freiwillig ertragener Armut und selbstlos übernommenem Leid in eine Quelle des Heils für andere Menschen und für die ganze Welt. Wer dieses Heil hat und es weitergeben kann, der ist der wahre Besitzer der Erde, der Erbe des Landes.

Für diese Verwandlung von Leid in Heil steht das Leben des Apostels Paulus. Es ist ein Leben aus dem Alten und Neuen Testament zugleich, es steht in der Tradition des leidenden, sanftmütigen Gottesknechtes im Propheten Jesaja und in der Tradition des Gottesknechtes Jesus. Auch der Koran kennt ohne Zweifel Wege zum Heil. Aber in diesem Punkt unterscheiden sie sich von denen der Bibel.



2 Kommentare:

  1. Wir Muslime fassen das Gebet etwas allgemeiner auf. Gebete sind nicht nur die 5- maligen Pflichtgebete. Auch Alltägliches kann zum Gebet werden. Vergiesst man z.B. einen Tropfen Träne für ertragenes Leid ist es eine sehr aufrichtige, reine Art von Gebet.Der Leid ist etwas Gemeinsames zwischen den Gläubigen. Wenn ich mir die weinenden Gläubigen Juden vor der Tempelmauer, oder die weinenden Gläubigen Christen vor dem Kreuz oder den weinenden Gläubigen Muslim vor Kaaba sehe, glaube ich zu verstehen, daß sie alle ihre Tränen für Gott vor Gott vergiessen. Einen Urteil zu fällen obliegt natürlich nur Gott, aber dieser vergossene Tropfen edelster Flüssigkeit, berührt mich in allen drei Orten gleicheremassen. Wir Muslime glauben daran dass dieser Tropfen Träne, die Höllenfeuer zum Erlischen bringt.
    Um daraus ableitend in die Geschichte zu schauen, vermag ich zu behaupten, daß es keinen bisher gegeben hat, der nicht gelitten hat, als er oder sie de Botschaft Gottes verkündete. Wir Muslime verstehen das Leid nicht etwas schlechtes, im Gegenteil wie oben beschrieben etwas positives. Atheisten und Aussenstehende würden vor dem Anblick der Leidenden denken, daß der Glaube etwas furchtbares ist, oder Gott ungerecht ist, der einen traurig macht oder gar leiden lässt. Dieses Urteil ist zunächst einmal legitim, doch nur eindimensional oberflächlich. Denn diesem Urteil fehlt der Glaube an einer Wiedergeburt. Der Glaube an die Wiedergeburt macht alles wieder verständlich, ertragbar, sogar wichtig. Das ist absolute göttliche Gerechtigkeit. Der Lohn muss verdient werden, Übeltäter werden vom Wohltäter auf diese Art filtriert. Im Islam leidet der Mensch, proportional zu seiner Geduldsgrenze. Man könnte diese Grenze auch als den Wert vor Gott deffinieren. Demnach sind es die Propheten die am meisten leiden, dann die Apostel, dann die Nachkommenden usw. Daneben gibt es immer wieder in allen Zeiten Juwelen unter Menschen, die sich aus der Menge abheben und wie Apostel dienen und deshalb als Gottesfreunde zu bezeichnen sind.
    Deshalb ist aufrichtige Trauer und Leid meiner Meinung nach überhaupt nichts schlechtes, im Gegenteil. Sie sind die stärksten Ausdrucksformen eines Gebetes, die von Gott besonders erhört werden.

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  2. Verwandlung von Leid in Heil: ein Gedanke, dem Dostojewski wohl in intensiver Weise nachgeht, aber obwohl ich ihn als junger Mensch endlos gelesen habe, war ich bei der Lektüre immer von anderen Dingen gefesselt und habe den Gedanken einfach als Faktum genommen und nicht wirklich verstanden.

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