Mittwoch, 12. August 2009

Die Einheit der Verteidigungsrede




2. Korinther 2,14 - 7,3

Norbert Baumert hat für seine These, daß es sich bei der Verteidigungsrede 2,14 – 7,3 um einen einheitlichen, für sich stehenden Brief handelt, verschiedene Argumente. Dazu gehört auch sein Nachweis der Geschlossenheit in Bezug auf die Gliederung, für welche er die Form A - B - A erkennt, mit einem Hauptteil B in der Mitte, sowie einem jeweils das konkrete Problem ansprechenden Anfang A 1 und einem ebenso konkret auf das Thema zurückkehrenden Schluß A 2.

Bereits in seinem Kommentar zum 1. Korintherbrief hat Baumert gezeigt, daß Paulus gern in dieser Form argumentiert und dabei die konkrete Lebensfrage der Gemeinde (A) selbst dann nicht aus dem Auge verliert, wenn er im Hauptteil (B) seiner Argumentation große und letzte Dinge anspricht. Das ist im sogenannten Hohelied der Liebe in 1. Korinther 13 der Fall, welches vom 12. und 14. Kapitel so eingerahmt wird, daß die Fragestellung nie ganz aus den Augen verloren wird, die Baumert ein wenig in der Sprache einer Art Kirchenverwaltung Integration auffallender Geistwirkungen im Gottesdienst nennt.

Ähnlich ist es mit dem Teil B unserer Verteidigungsrede, den Kapiteln 4 und 5 des 2. Korintherbriefes (genau: 4,7 - 5,11), in denen Paulus auf den Kern seiner Verteidigung zu sprechen kommt. Die Korinther haben kritisiert, daß auf seiner Arbeit wenig Glanz liegt, das hat er in Abschnitt A widerlegt und steigert seine Verteidigung in B jetzt zu dem zentralen Punkt, an dem er sagt: der Glanz von Gottes Herrlichkeit wird durch ein Sterben hindurch offenbart. Es folgen bekannte Worte von äußerem und innerem Mensch (4,16) und von der Überkleidung eines irdischen Wesens mit einem himmlischen (5,2 - 4). In der Gleichzeitigkeit von Sterben und neuem Leben, das er aus sich hervorgehen sieht, liegt das Wunder, das Christus an Paulus tut und das ihn damit eindeutig als seinen Diener erweist.

Deshalb braucht er keine Bestätigungen oder Empfehlungen von dritter Seite - ein Thema, das jeweils am Anfang des Teils A 1 (3,1) und des Teils A 2 (5, 12) steht, was die Symmetrie A - B - A der Verteidigungsrede unterstreicht.

Baumert nennt diese bei Paulus häufiger vorkommende A-B-A-Struktur Palindrom. Wörtlich heißt das "wieder zurücklaufend" und ist für die Zuhörer sicherlich immer dann eindrucksvoll, wenn der Redner nach einer Eingangsfrage mit Schilderung des Problems (A) und den folgenden grundsätzlichen Erwägungen (B) wieder auf die Eingangsfrage zurück "läuft" (A) und jetzt praktische Ratschläge für die Behandlung dieser Frage gibt. Wichtig ist, daß auf diesem Weg die oft sehr tiefen und grundsätzlichen Einsichten aus Teil B nicht in reine Philosophie aufgelöst werden, sondern an das konkrete Problem angebunden bleiben - nach vorne wie nach hinten.

In unserem Abschnitt gipfelt Teil B in der überzeugenden Bewährung des Paulus, die sich (6,1 - 10) in kräftigen Gegensatzpaaren zeigt wie etwa: sterbende - und siehe wir leben, arme - aber viele reich machend. Wer das am Leben des Paulus studiert, der wird sich von den Kritikern des Paulus nicht irre machen lassen, sondern im Gegenteil ein solches, die anderen beschenkendes Leben selbst anstreben.

Liest man das alles mit dem Blick auf die leider notwendig gewordene Verteidigung, die dem Paulus durch seine Gegner aufgezwungen wird, dann werden allerdings einige sehr berühmte Aussagen aus diesem Abschnitt zunächst scheinbar klein und ohne direkten Bezug auf die Erklärung anderer theologischer Fragen, die man normalerweise mit ihnen verbindet. Ich denke an das Wort von der neuen Kreatur (5, 17), dem Schatz in irdenen Gefäßen (4, 7), dem Bild von der irdischen Hütte (5,1), das vielen aus der Übersetzung Martin Luthers lieb geworden ist. Baumert läßt es nicht mehr gelten, weil er nicht mehr von Hütte sondern von einer Zeltwohnung spricht, die eher wie ein Kleid zu verstehen ist, das man unter einem anderen, besseren immer noch zu tragen verpflichtet ist.

Ich meine aber, daß die im Gegenzug gewonnene größere Geschlossenheit diese Engführung der großen Worte auf eine zunächst kleiner erscheinende Ebene aufwiegt. Man kann am Ende - ganz ähnlich wie beim großen Kapitel 1. Korinther 13 - auch hier die alten, lieb gewordenen Worte wieder auf jede denkbare Lebens- und Weltsituation anwenden. Vielleicht sind sie sogar stärker, wenn man um ihre Heimat in der persönlichen Erfahrung des Apostels und seiner Gemeinde weiß. Vielleicht gewinnen sie an Kraft und Wirkung, wenn man mit der Situation des Paulus sozusagen ihr Wurzelgeflecht kennen lernt.

Mit den ersten Versen des siebten Kapitels schließt sich ein fester Kreis. Ein neuer beginnt: die Fortsetzung des Freudenbriefes und die heikle aber souverän vorgetragene Bitte um eine Spende. Sie soll der Gemeinde in Jerusalem zugute kommen.






1 Kommentar:

  1. Wichtig ist, daß auf diesem Weg die oft sehr tiefen und grundsätzlichen Einsichten aus Teil B nicht in reine Philosophie aufgelöst werden, sondern an das konkrete Problem angebunden bleiben - nach vorne wie nach hinten. - Nicht weniger wichtig wohl die Umkehrung, daß die konkreten Probleme nicht blind und stumpf bei sich verharren.

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