Zweiter Brief an die Thessalonicher
Daß der Glaube nicht mein Ding ist, konnten in dieser heute jugendgemäßen Sprache bereits die Leute zu Luthers Zeiten sagen. Jedenfalls hat Luther die entsprechende Stelle im letzten der drei kurzen Kapitel bereits in der Urfassung seiner Bibel so übersetzt. Seine Version wurde durch die Jahrhunderte beibehalten und findet sich noch in meiner Lutherbibel von 1964. Erst spätere Revisionen haben nicht jedermanns Sache daraus gemacht . Der griechische Urtext hat weder das eine noch das andere, hier heißt es nur knapp "nicht aller ist pistis, wobei das Wort pistis sowohl mit Glaube als auch mit Vertrauen oder Trauen übersetzt werden kann.
Das etwas pessimistisch klingende Wort wird von Paulus nur in einem Nebensatz gesagt, die großen Themen des Briefes beschäftigen sich mit anderen Dingen. Das Pauluswort füllte sich vor einiger Zeit aber bei mir mit Leben, als ein Missionar in Afrika, mit dem ich als Kind unter einem Dach aufgewachsen war, mir in einem Brief genau diese Stelle als seinen persönlichen Eindruck von seiner Arbeit schrieb. Auch dieser Afrikamissionar war wie Paulus mit anderen, großen Themen beschäftigt. Aber wenn er inne hielt, und auf das blickte, was er bei dem größeren Teil der Bevölkerung bewirkt hatte, unter der er lebte, dann kam auch er zu dem Ergebnis, daß seine Botschaft bei weitem nicht alle Menschen erreichte.
Man muß vermutlich die Gleichgültigkeit vieler Zuhörer als eine grundsätzliche Entmutigung und Gefährdung jeder christlichen Mission in Erinnerung behalten, wenn man von den anderen Gefährdungen liest, über die Paulus im Hauptteil des Briefes schreibt. Es sind zwei: die Verfolgungen durch feindselig eingestellte Mitbürger und die Ungewißheit, wie diese Verfolgungen in den Gesamtrahmen des laufenden Prozesses einzuordnen waren, der erwartungsgemäß in Kürze auf das göttliche Endgericht zuführen würde.
Die Verfolgungen hatten sich bereits in den Tagen angekündigt, in denen Paulus zum ersten Mal in Thessalonich war. Es ist eine Kombination aus gesetzestreuen Juden (sie werden im Bercht von Apostelgeschichte 17 als neidisch beschrieben), kaisertreuen Griechen und einem leicht zu Untaten anstiftbaren städtischen Pöbel, die dem Paulus und sicherlich später in ähnlicher Zusammensetzung dann der Gemeinde Schwierigkeiten macht. Paulus ermutigt die Gemeinde zur Treue. Die Verfolgung wird am Ende erweisen, daß die Gemeinde würdig ist, zu Gott zu gehören.
Schwieriger ist es schon, die Zeichen der Zeit recht zu deuten, was die erwartete Wiederkunft Jesu betrifft. Paulus widerspricht denen, die den bereits im Alten Testament angekündigten Tag des Herrn als bereits gekommen ansehen. Noch im ersten Brief hatte er geschrieben, dieser Tage käme wie ein Dieb in der Nacht. Niemand könne das Datum vorher wissen. Nun ergänzt er ein wichtiges Detail: der Tag kann erst kommen, wenn die Ungerechtigkeit auf Erden überhand genommen hat. Paulus spricht, ohne den Begriff zu nennen, von einem Antichristen, der göttlichen Respekt verlangen und auch erhalten wird. Erst nach dessen Erscheinen wird Jesus wiederkommen und dabei diesen Widersacher besiegen.
Wer den Brief heute liest, wird angesichts der vielen Antichristen, die zwischenzeitlich gekommen und wieder gegangen sind, und angesichts der immer unübersichtlicheren Lage, was ein vorstellbares Ende der Welt betrifft, möglicherweise zu dem Urteil kommen, daß auch für ihn der Glaube nicht sein Ding ist. Vielleicht muß er zurück zu der ursprünglichen Predigt des Paulus gehen, so wie sie in Apostelgeschichte 17 geschildert wird. In deren Kern stehen die Worte Christus mußte leiden. Von der Anschauungen dieses Leidens führt ein Weg zu dem versöhnten und friedvollen Leben untereinander, das in dieser Gemeinde begonnen hat, und das Paulus mit allen seinen Kräften stärken will. Ein solches Leben könnte am Ende doch das "Ding" auch moderner Menschen werden. Man hofft es jedenfalls.
Sonntag, 6. Dezember 2009
Nicht jedermanns Ding
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